Erst stirbt der Wald
Inzwischen ist es still geworden um das Thema Waldsterben, denn uns mahnen keine abgestorbenen Bäume mehr, keine vertrockneten Wiesen und kahlen Berge. Heute werden die abgestorbenen Bäume schneller entfernt als in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Die Bilder entstanden in einer Region und einer Zeit, in der der Wald gestorben war, in der die Bewohner mit den Folgen einer vergifteten Umwelt leben mussten – im Erzgebirge – in meiner Heimat. Im Mittelalter noch von einem fast undurchdringlichen Urwald bedeckt, sind die Kammlagen 1984 kahl, öde und verlassen. Selbst das Rotwild hatte die nur noch mit hartem verbrannten Gras bedeckten Hochflächen verlassen. Vögel sah man ganz selten. Vereinzelt ragten noch tote, graue Stämme eines Geisterwaldes in den Himmel. Und die riesigen Halden des Uran- und Zinnerzbergbaus zerstörten den letzten Rest intakt gebliebener Natur.
Die Serie Waldsterben entstand während vieler Wanderungen durch den deutschen und tschechischen Teil des Erzgebirges in den Jahren 1984 bis 1986. Nicht Freude am Morbiden war das Motiv des Fotografierens, sondern die Ohnmacht, selbst kaum etwas ändern zu können an der Luftverschmutzung durch die schwefeldioxidhaltigen Abgase von Industrie und Kraftwerken im Böhmischen Becken. Wenigstens dokumentieren wollte ich den Niedergang meiner Heimat, eine Art Bestandsaufnahme ohne Anspruch auf Vollständigkeit.